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Im Interview: Prof. Dr.-Ing. habil. Marc Wichern

01.12.2020

Mikroplastik sorgt derzeit für viel Furore. Durch Kosmetikprodukte, Reifenabrieb und beim Waschen unserer Kleidung gelangen die winzigen Plastikpartikel in unsere Gewässer und stellen unsere Kläranlagen vor große Probleme. Auch über mögliche gesundheitliche Gefahren durch die langlebigen Überreste wird viel diskutiert.

Die Mitarbeiter*innen des Lehrstuhls für Siedlungswasserwirtschaft unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Marc Wichern habil. Wichern forschen intensiv zu den biochemischen Prozessen in der Wasserreinigung. Inwiefern Mikroplastik dabei ein Thema ist und welche wissenschaftlichen Herausforderungen damit für die Forschung verbunden sind, erklärt Prof. Wichern im Interview.

Bild: © Damian Gorczany

Mikroplastik sorgt derzeit für viel Furore. Durch Kosmetikprodukte, Reifenabrieb und beim Waschen unserer Kleidung gelangen die winzigen Plastikpartikel in unsere Gewässer und stellen unsere Kläranlagen vor große Probleme. Auch über mögliche gesundheitliche Gefahren durch die langlebigen Überreste wird viel diskutiert.

Die Mitarbeiter*innen des Lehrstuhls für Siedlungswasserwirtschaft unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Marc Wichern habil. Wichern forschen intensiv zu den biochemischen Prozessen in der Wasserreinigung. Inwiefern Mikroplastik dabei ein Thema ist und welche wissenschaftlichen Herausforderungen damit für die Forschung verbunden sind, erklärt Prof. Wichern im Interview.

Bild: © Damian Gorczany


Welchem Forschungsschwerpunkt gehen Sie an Ihrem Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft und Umwelttechnik nach und welche Rolle spielt Mikroplastik in diesem Zusammenhang?

Wir haben uns in den vergangenen Jahren intensiv mit biochemischen Prozessen beschäftigt, die wir nutzen, um verschmutztes Wasser zu reinigen. Wir sehen starke Überschneidungen zur Mikrobiologie und zur Chemie, d.h. wir versuchen zu verstehen, welche mikrobiologischen und chemischen Vorgänge die Reinigungsprozesse vorantreiben und suchen dann infolge nach Möglichkeiten, um diese Reinigungsprozesse zu optimieren. Dieser Teil der Siedlungswasserwirtschaft hat starken Bezug zu den Naturwissenschaften. Aber, dem Ingenieurwesen verpflichtet, suchen wir immer nach Möglichkeiten für eine praktische Umsetzung der Erkenntnisse. Ähnliche mikrobiologische und chemische Zusammenhänge finden wir also in unterschiedlichen Teilbereichen der Siedlungswasserwirtschaft, so zum Beispiel in der Entfernung von Mikroschadstoffen aus dem Wasser, in der Energiegewinnung durch Nutzung der im Wasser gebundenen Ressourcen aber auch in der Regenwasserbehandlung.
Anders als andere Forschungsthemen der Siedlungswasserwirtschaft, die stark auf Fragestellungen beispielsweise in Schwellen- und Entwicklungsländer fokussiert sind, erlangte Mikroplastik in der öffentlichen Wahrnehmung besonders in den Industrienationen und so auch in Deutschland größere Aufmerksamkeit. Allerdings spielen mikrobielle Umsatzvorgänge beim Mikroplastik eine geringere Rolle, da es im Regelfall ja nicht mikrobiell abgebaut wird. Als Lehrstuhl sehen wir uns für das Thema Mikroplastik im Bereich der verfahrenstechnischen Entfernung aber gut aufgestellt.

Können Sie uns erklären, wie Kunststoffe primär in unsere Gewässer gelangen? Warum ist es so schwer, Daten über Mikroplastikpartikel zu erheben?

Wir gehen heute davon aus, dass Mikroplastik, also Kunststoffteilchen kleiner 5 mm, zum größten Anteil über den Straßenverkehr in die aquatische Umwelt gelangen. Hier ist natürlich der Abrieb von Autoreifen zu nennen. Mit dem Kunststoff gelangen auch andere Stoffe wie zum Beispiel Zink, Kupfer und Blei auf die Straße. Man geht davon aus, dass mehr als 1 kg Mikroplastik pro Einwohner und Jahr auf diesem Wege in die Umwelt gelangt, eine erhebliche Menge.
In der Analytik gibt es zwei wissenschaftliche Herausforderungen. Zum einen haben wir Probleme Partikel, die kleiner 10 µm sind in der Fläche zu analysieren. Das bedeutet also auch, dass wir die eingetragenen Frachten oder Partikelzahlen in diesem Bereich bisher möglicherweise falsch abschätzen. Zur Anwendung kommen spektroskopische Methoden wie Raman- und Fourier-Transform-Infrarot-Spektroskopie sowie thermoanalytische Verfahren wie Pyrolyse mit anschließender Gaschromatographie / Massenspektroskopie. Das zweite Problem liegt darin begründet, dass wir zuerst große Wassermengen filtern müssen, um die Kunststoffpartikel in ausreichender Menge wiederfinden zu können.

Was ist nötig, um den Anteil an Mikroplastik in unserem (Ab-)Wasser zu reduzieren? Welche Techniken gibt es ggf. bereits?

Nach jetzigem Kenntnisstand sind wir uns einig, dass wir für Mikroplastikpartikel größer 50 µm schon heute eine gute Reinigungsleistung im Bereich der Trinkwasser und Abwasserbehandlung von bis zu 90% erreichen können. Neben mechanischen Stufen zur Sedimentation ist im Besonderen eine nachgeschaltete Filtration sinnvoll, da Partikeln hier schon weitgehend zurückgehalten werden. Es geht somit vorwiegend darum, Anlagen betrieblich zu optimieren. Schwieriger dürfte es sein, Partikel kleiner 50 µm zurückzuhalten, besonders jene, die kleiner 2,5 µm und damit auch beim Menschen möglicherweise körpergängig sind. Zum Rückhalt bieten sich prinzipiell Membranverfahren im Bereich der Nanofiltration und Umkehrosmose an. Letztendlich ist der Rückhalt dieser Partikel eine Energie- und damit Kostenfrage. Technisch würde das Ingenieurwesen aber auch mit Partikeln dieser geringen Größe umgehen können, wenn wir betrieblich hierzu Erfahrung sammeln.

Was können wir als Einzelne/r tun, um einen Beitrag zu weniger Mikroplastik in unserem (Ab-)Wasser zu leisten?

Ideal wäre es natürlich, wenn es uns gelänge, den Verbrauch von Produkten, die Kunststoffe imitieren, zu reduzieren. Den Straßenverkehr hatten wir schon angesprochen, vielfach in der Presse findet sich die Frage, inwieweit Kosmetikartikel, in denen gelegentlich Mikroplastik zugesetzt ist, reduziert werden können. Aber auch der Verlust von Mikroplastik als ein Grundstoff der industriellen Produktion oder auch der Einsatz von Bitumen im Straßenbau spielen eine Rolle. Hierzu gibt es eine sehr schöne Publikation des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen.

Wo sehen Sie dringenden Forschungsbedarf, um das Umweltproblem „Mikroplastik“ in den Griff zu bekommen?

Den sehe ich für den Wasserpfad in drei Bereichen, die wir zum Teil schon genannt haben: im Bereich der Analytik, wo die Weiterentwicklung der Methodik zur Quantifizierung von MP kleiner 2,5 µm nötig ist; in der Entwicklung und betrieblichen Optimierung einer geeigneten Verfahrenstechnik, um auch diese Kleinstteilchen möglichst sicher und energieeffizient aus dem Trink- und Abwasser zu entfernen und letztendlich im Bereich der Wirkung dieser kleinen Stofffraktion auf Mikroorganismen, Lebewesen im Gewässer und natürlich den Menschen.